Land ohne Töchter* – Gehen und Bleiben im Bezirk Liezen

Landflucht ist überwiegend jung und weiblich. Sinkende Bevölkerungszahlen, deren Auswirkungen und der Umgang damit gehören zu den wichtigsten Herausforderungen von Akteur*innen auf Gemeinde- und Regionalebene. Um sich dieser Aufgabe stellen zu können, muss mehr über junge Frauen in ländlichen Gebieten in Erfahrung gebracht werden.

Junge Frauen am Land sind keine einheitliche Zielgruppe mit gleichen Bedürfnissen, Wünschen und Problemen. Unterschiedliche Lebensphasen, Lebensentwürfe und sozioökonomische Hintergründe (mit/ohne Kinder, in Ausbildung/berufstätig, im Familienverband wohnhaft/allein wohnend, Einkommen, …) generieren unterschiedliche Ansprüche für ein glückliches Leben am Land. Vor diesem Hintergrund müssen auch die Wanderungs- und Bleibemotive junger Frauen im Bezirk Liezen verstanden und interpretiert werden.

37,5 % der befragten jungen Frauen, die zu Ausbildungszwecken in Universitätsstädte gezogen sind, wollen wieder im Bezirk Liezen wohnen. Die restlichen 62,5% sehen für sich keine berufliche und private Zukunft in ihrer Heimatregion. Dass manche Gemeinden des Bezirks Liezen weiterhin Einwohner*innen verlieren werden, ist den für diese Arbeit interviewten Bürgermeister*innen bewusst. Dass es überwiegend junge Frauen sind, die weggehen, ist ihnen nur zum Teil bekannt. Junge Frauen sind keine explizite Zielgruppe: Den Bürgermeister*innen fehlt es an (Projekt-)Ideen und Unterstützung.

Richtig gestellte Fragen brechen die Gedanken um wie ein Pflug unf ermöglichen das Wachsen neuer Gedanken und Ideen.
— Saul David Alinsky, 2007

Eine Erkenntnis dieser Diplomarbeit ist, dass die regionale Ebene zur Entwicklung und Umsetzung einer „Landflucht-Strategie“ für alle Gemeinden des Bezirks von Vorteil ist. Beispielweise empfiehlt es sich, eine Außenbeziehungsstelle beim Regionalmanagement Liezen anzusiedeln, die sich um Weggezogene, Bi-/Multilokale, Studierende und potentielle Rückkehrerinnen kümmert. Genauso muss regionsweit über frauenzentrierte Projekte diskutiert und zur Umsetzung gebracht werden, denn da passiert im Bezirk zu wenig. Das „Rad muss dabei nicht neu erfunden werden“: In anderen Regionen und Gemeinden finden sich gute Projektbeispiele, die dem Bezirk Liezen als Inspiration für eigene Ideen dienen können.

In dieser Arbeit zieht sich ein Faktor wie ein roter Faden durch die Kapitel: das Kümmern. Der Kontakt und die Verbindung zwischen Gemeinde und Einwohner*innen ist im Bezirk Liezen unterschiedlich ausgeprägt: nach Meinung der jungen Frauen zu wenig und nach Meinung der Bürgermeister*innen genug. Das Kümmern wird im Fazit als wichtige Möglichkeit gesehen, dass Weggezogene nicht den Kontakt zu ihrer alten Heimat verlieren; denn nur, wenn sie weiterhin Teil des regionalen Netzwerks sind, haben sie Einblick in den dortigen Arbeits- und Wohnungsmarkt. Und das sind bekanntlich zwei wichtige Faktoren für ein glückliches (Land-)Leben.


Diplomarbeit, 2017, Isabel Stumfol an der Fakultät für Architektur und Raumplanung, TU Wien.

 
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